Digitale Souveränität oder Data Literacy, digitale Mündigkeit oder Verbrauchersouveränität – diese Begriffe sind politische Leerformeln, gewissermaßen mathematische Variablen, deren Zuweisung stets von der politischen Agenda der Sprecher*in abhängt. Die Begriffe werden vielerorts als Universalmittel für die drängenden Probleme und Herausforderungen diskutiert, die uns im Rahmen der Digitalisierung begegnen, und sie alle setzen voraus, dass eine Verantwortung für den Umgang mit der digitalen Transformation vor allem beim Individuum liegt. 

Doch sind wir als individuelle Nutzer*innen, Verbraucher*innen, Bürger*innen, wirklich in der Lage, dieser Verantwortung gerecht zu werden? Wie sollen wir beispielsweise den Fluss unserer vermeintlich eigenen Daten souverän kontrollieren – im Angesicht einer allumfassenden, trackingbasierten Marktinfrastruktur, in denen das aus den Daten gewonnene Wissen von einer Handvoll Unternehmen kapitalisiert wird? Betrachtet man unsere Daten als überall verteilte Puzzle-Stücke von Identitäts-Teilen, fragt sich: Wer und wo sind wir digital, und wollen wir auch digital sein? Diese Fragen schützen das Grundgesetz ebenso wie die Datenschutz-Grundverordnung nur lückenhaft. Begriffe wie die "digitale Souveränität" greifen diesen Schutz nicht auf, sondern fokussieren sich auf das Verwirklichen einer marktgetriebenen Datenökonomie, in der Individuen vor allem Ressource, nicht Subjekte sind.

In diesem Workshop wollen wir Schlüsselbegriffe wie digitale Souveränität, Data Literacy, digitale Mündigkeit oder Verbrauchersouveränität dekonstruieren und einem Reality Check unterziehen. Dafür untersuchen wir die juristische sowie technische Wirklichkeit, in der sich individuelle Nutzer*innen in ihrem Alltag bewegen. Gemeinsam wollen wir diskutieren: Ist unsere Alltagspraxis mit den Begriffen kompatibel?